Jahrbücher für Geschichte Osteuropas

Herausgegeben im Auftrag des Osteuropa-Instituts Regensburg
von Martin Schulze Wessel und Dietmar Neutatz

Band 58 (2010) H. 4, S.  613–613

Stelian Tănase At Home Theres only Speaking in a Whisper: File and Diary Recording in the Late Years of the Romanian Dictatorship. Columbia University Press New York 2007. 319 S. = East European Monographs, DCCIV. ISBN: 978-0-88033-602-4.

Seit dem Sturz des Diktators Nicolae Ceauşescu 1989 ist in Rumänien eine Flut von Publikationen, die sich dem Genre der Memoirenliteratur zurechnen lassen, erschienen. Die vielfach von Selbstdarstellung, persönlicher Abrechnung und „ex post“-Dissidententum geprägte Gattung ist auch ein Indikator für die fragmentierte intellektuelle Szene des postsozialistischen Rumänien. Das vorliegende Buch des bekannten rumänischen Publizisten Stelian Tănase gehört nur be­dingt zu dieser Kategorie Literatur. Es reflektiert den Zeitraum zwischen 1984 und dem Beginn des Jahres 1990 anhand einer parallel angeordneten, doppelten Überlieferung: einerseits seines eigenen Tagebuchs, andererseits der aus seiner Observierung resultierenden Akten des Staatssicherheitsdienstes Securitate, die der Autor einsehen konnte, teilweise ergänzt durch kurze Kommentare. Die beiden in Fragmenten nebeneinander angeordneten, so unterschiedlichen Textsorten ermöglichen von zwei verschiedenen Standpunkten aus einen Einblick in die Atmosphäre der späten Ceauşescu-Jahre. Dabei orientierte sich die Auswahl an den Aktenauszügen; das Tagebuch liegt unter dem Titel „Ora oficială de iarnă“ (Iaşi 1995) bereits vollständig veröffentlicht vor. Inhaltlich dominieren Begebenheiten rund um die Texte, die Tănase in den achtziger Jahren vergeblich zu veröffentlichen versuchte, sowie um die Kontakte zu Personen aus dem intellektuellen Milieu oder zu Ausländern. Die vorliegende englische Übersetzung leidet dabei gegenüber der rumänischen Originalfassung (Stelian Tănase Aca­să se vorbeşte în şoaptă: dosar & jurnal din anii tîrzii ai dictaturii. Bucureşti 2002) an der viel unübersichtlicheren Abfolge von Akten- und Tagebuchtexten – die im Original durch Unterteilung des Satzspiegels und eine andere Schriftart auch optisch deutlich markierte Trennung der beiden Textsorten wurde nicht übernommen.

Die Gegenüberstellung der beiden Erzählstränge zeigt die Absurdität des Überwachungsapparates auf, der über Jahre hinweg eine aufwendige Bespitzelung betrieb. Dem Autor trat in den Akten ein stellenweise völlig verfremdetes alter ego entgegen, dessen Leben umgeschrieben worden war, mit Notizen zu Begebenheiten oder Personen, an die er sich – Jahre danach – nicht mehr zu erinnern vermag (S. 20–21). Das Tagebuch vermittelt immer wieder kur­ze Einblicke in die von Angst und allgemeiner, aber unterdrückter Unzufriedenheit geprägte Atmosphäre der achtziger Jahre. Die Repression nimmt dabei oft groteske oder gar tragikomische Züge an, so etwa, wenn im Zentrum Bukarests ein Hund mit der subversiven Aufschrift „Die Epoche Ceauşescu“ von Securitate-Leuten gejagt wird, wobei die Passanten sich demonstrativ bemühen, den Vorfall zu ignorieren (S. 40). In den Akten wiederum tritt an gewissen Stellen auch die Figur des „Informators“ (Spitzels) hervor, die sichtlich aus eigenem Antrieb Initiativen ergreift und den Repressionsorganen Ratschläge erteilt (S. 150–151). Das Buch provoziert daher geradezu, den Quellenwert von Bespitzelungsakten zu reflektieren. Die methodischen Probleme beginnen bereits damit, dass das dem Autor zugängliche Dossier lückenhaft war und offenbar vor allem Aktenmaterial nachgeordneter Wichtigkeit enthielt. Das ist insofern charakteristisch, als der Zugang zu den Archivbeständen der sozialistischen Periode in Rumänien generell stark erschwert ist, gerade diese Intransparenz aber deren Missbrauch für politische Zwecke erleichtert. Das vorliegende Buch ist daher auch als Mahnung zu verstehen, Überwachungsakten nicht blind zu vertrauen, sondern mit der entsprechenden quellenkritischen Sorgfalt zu begegnen.

Daniel Ursprung, Zürich

Zitierweise: Daniel Ursprung über: Stelian Tănase At Home There's only Speaking in a Whisper: File and Diary Recording in the Late Years of the Romanian Dictatorship. East European Monographs Boulder, CO; distributed by Columbia University Press New York 2007. = East European Monographs, DCCIV. ISBN: 978-0-88033-602-4, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas. Neue Folge, 58 (2010) H. 4, S. 613–613: http://www.dokumente.ios-regensburg.de/JGO/Rez/Ursprung_Tanase_ Diary_ Recording.html (Datum des Seitenbesuchs)